Neue Entwicklung im Bereich Online-Bewertungen: Ärzte können sich effektiver gegen zweifelhafte Bewertungen wehren

Google Bewertung

Das Oberlandesgericht München hat mit seinem Urteil vom 6. August 2024 (Az. 18 U 2631/24 Pre e) die Position von Ärzten im Umgang mit zweifelhaften Online-Bewertungen deutlich gestärkt. Die Entscheidung bietet wichtige Orientierung für den Umgang mit Bewertungen, bei denen kein tatsächlicher Behandlungskontakt vorliegt.

Der konkrete Fall: Eine zweifelhafte Bewertung auf Google Maps

Im Zentrum des Falls stand ein Arzt, der sich gegen eine anonyme Bewertung auf Google Maps zur Wehr setzte. Die Bewertende hatte behauptet, der Arzt habe sie zweimal an der Nase operiert, wobei die Operationsergebnisse nicht zufriedenstellend gewesen seien. Der Arzt bestritt, dass überhaupt ein Behandlungskontakt stattgefunden hatte und forderte Google zur Löschung der Bewertung auf.

Die zentrale rechtliche Frage

Die entscheidende Frage war: Welche Anforderungen müssen Ärzte erfüllen, wenn sie gegenüber einem Bewertungsportal behaupten, dass einer negativen Bewertung kein tatsächlicher Behandlungskontakt zugrunde liegt?

Die wegweisende Entscheidung des OLG München

Das Gericht hat in seiner Entscheidung mehrere wichtige Grundsätze aufgestellt:

  1. Bereits die einfache Behauptung eines Arztes, dass kein Behandlungskontakt vorlag, löst Prüfpflichten beim Bewertungsportalbetreiber aus.
  2. Der Arzt muss seine Behauptung gegenüber dem Portal zunächst nicht näher begründen oder belegen.
  3. Dies gilt auch dann, wenn die Bewertung detaillierte Angaben zur angeblichen Behandlung enthält.
  4. Das Bewertungsportal muss in solchen Fällen den Bewertenden zur Stellungnahme auffordern.

Praktische Bedeutung für Ärzte und andere Bewertete

Die Entscheidung ist aus mehreren Gründen bedeutsam:

  1. Vereinfachte Durchsetzung von Löschungsansprüchen:
    Ärzte müssen nicht mehr umfangreich begründen, warum sie davon ausgehen, dass kein Behandlungskontakt vorlag. Die bloße substantiierte Bestreitung reicht aus.
  2. Klare Handlungspflichten für Portalbetreiber:
    Bewertungsportale müssen bei einer entsprechenden Meldung aktiv werden und den Bewertenden zur Stellungnahme auffordern.
  3. Schutz vor falschen Bewertungen:
    Die Entscheidung erschwert die Veröffentlichung erfundener Bewertungen, da Portalbetreiber ihrer Prüfpflicht nachkommen müssen.

Grenzen des Anspruchs

Das Gericht hat allerdings auch Grenzen aufgezeigt:

  1. Rechtsmissbrauch:
    Wenn nachweisbar ist, dass der Arzt weiß, dass die Bewertung von einem tatsächlichen Patienten stammt, wäre die Geltendmachung des Löschungsanspruchs rechtsmissbräuchlich.
  2. Identifizierbarkeit des Bewertenden:
    Wenn sich die Identität des Bewertenden für den Arzt ohne Weiteres aus der Bewertung ergibt, kann eine nähere Begründung des fehlenden Behandlungskontakts erforderlich sein.

Praktische Handlungsempfehlungen

Für den Umgang mit zweifelhaften Bewertungen ergeben sich folgende Empfehlungen:

  1. Schnelle Reaktion:
    Bei Entdeckung einer zweifelhaften Bewertung sollte umgehend geprüft werden, ob ein Behandlungskontakt vorlag.
  2. Dokumentierte Kommunikation:
    Die Beanstandung gegenüber dem Portalbetreiber sollte schriftlich und nachweisbar erfolgen.
  3. Klare Formulierung:
    Die Bestreitung des Behandlungskontakts sollte eindeutig formuliert werden.
  4. Fristsetzung:
    Dem Portalbetreiber sollte eine angemessene Frist zur Prüfung gesetzt werden.

Bedeutung für die Zukunft

Das Urteil stärkt die Position von Ärzten im digitalen Umfeld erheblich. Es schafft einen praktikablen Ausgleich zwischen dem berechtigten Interesse an authentischen Bewertungen und dem Schutz vor missbräuchlichen oder erfundenen Rezensionen.

Besonders hervorzuheben ist, dass das Gericht die Besonderheiten des ärztlichen Berufs berücksichtigt hat. So wurde anerkannt, dass auch bei größeren Arztpraxen oder Krankenhäusern eine gewisse „Anonymität“ herrschen kann, die es erschwert, Bewertungen konkreten Behandlungsfällen zuzuordnen.

Fazit

Die Entscheidung des OLG München ist ein wichtiger Schritt zur Stärkung der Rechte von Ärzten im Umgang mit Online-Bewertungen. Sie erleichtert die Durchsetzung berechtigter Löschungsansprüche, ohne dabei das grundsätzlich wichtige und legitime Instrument der Online-Bewertungen in Frage zu stellen.

Für Ärzte bedeutet dies konkret eine verbesserte Handhabe gegen zweifelhafte Bewertungen. Gleichzeitig bleiben die Hürden für eine Löschung hoch genug, um einen Missbrauch zu verhindern. Das Urteil leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Qualitätssicherung von Online-Bewertungen im medizinischen Bereich.

Die Entscheidung könnte auch über den medizinischen Bereich hinaus Bedeutung entfalten, da die grundsätzlichen Erwägungen des Gerichts auch auf andere Bereiche übertragbar sind, in denen Dienstleistungen bewertet werden.

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